transcript, 2015
Dieses Buch beschäftigt sich mit dem deutschen Schlager als kulturellem Werkzeug für die Konstruktion eines Heimatgefühls in der aktuellen deutschen Gesellschaft. Sowohl theoretisch als auch methodisch orientiert sich der Autor dabei an einer postmodernen und reflexiven Musikethnologie sowie an der Tradition der Cultural Studies. Das Buch beschreibt seine ethnographischen Erfahrungen als nicht-westlicher Ethnologe in Deutschland. Das Resultat ist eine intensive – und manchmal ironische – wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Schlagers bzw. der Geschichte der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Schlager.

Rezensionen
Gert Eisenbürger
„Mit seinem Ansatz, den deutschen Schlager und seine KonsumentInnen ethnologisch zu betrachten, hat Julio Mendívil sicher interessante Perspektiven eröffnet. Als ich kürzlich von meiner Lektüre des Buches erzählte, fragte jemand, ob Julio Mendívil als gebürtiger Peruaner einen „anderen Blick“ auf den deutschen Schlager habe, als dies möglicherweise ein in Deutschland geborener Kollege hätte. Eigentlich nicht, fand ich zunächst. Was das Buch so interessant macht, sind seine Fragestellungen und seine Recherchen in der Schlagergemeinde. Dies ist innovativ, hat aber nichts damit zu tun, dass der Autor aus Peru stammt. Aber dann fiel mir doch eine Sache ein. Julio Mendívil nähert sich dem Schlager und seinem Milieu wesentlicher vorurteilsfreier, als dies in Deutschland sozialisierte KollegInnen wahrscheinlich getan hätten. Die meisten kritischen Intellektuellen hierzulande haben einen sehr herablassenden Blick auf das Phänomen Schlager, der sich aus politischen Vorbehalten gegen ein als reaktionär empfundenes Milieu und dessen Betonung des Deutschen, aber auch aus bildungsbürgerlichen Ressentiments gegen eine als flach und kommerziell empfundene Kunstform speist. Julio dagegen nähert sich dem Ganzen mit einer relativ unvoreingenommenen Neugier und Offenheit. Er nimmt die Schlagergemeinde ernst, gibt ihr wirklich eine Chance. Dadurch gewinnt er spannende Einblicke.“ (Gert Eisenbürger, ILA, 5, 2009)
Heiko Fabig
„Insgesamt betrachtet liefert die vorliegende Studie […] sehr detailreich und mit vielen, vor allem intertextuellen Bezügen innovative, volkskundlich geprägte Forschungsansätze zum deutschsprachigen Schlager sowie seiner oft skizzen- und episodenhaft erscheinenden kulturellen Lebenswelt.“ (Heiko Fabig, Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde, 55, 2010)
Maurice Mengel
„… while older research on Schlager often transfers the simplicity of the music and lyrics to its listeners, depicting them as passive consumers, Mendívil looks for a more emic perspective. He agrees with other critics that the genre is a romanticized, seemingly apolitical retreat into privacy, a home-sweet-home (schöne heile Welt) mentality, with conservative ideals of intact family life. But, with Fiske, Mendívil rejects reading this escapism as just a flight from reality. Instead he interprets it as an act of resistance, a conservative rebellion that uses an idealized sense of Heimat and family to counter the changes brought about by modernity and globalization, thereby reinstating listeners’ political agency. […] I do believe this is an excellent ethnography. “ (Maurice Mengel, Yearbook for Traditional Music, 2011)
Karoline Oehme-Jüngling
„Eine unkonventionelle wissenschaftliche Studie, die es versteht, auch Humor und Ironie als Darstellungsmittel einzusetzen und sich nicht scheut, Forschungsergebnisse in einer verständlichen und unterhaltsamen Sprache zu präsentieren“. (Karoline Oehme-Jüngling, Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde, 2011).
Tobias Wiedmaier
„Die »imaginäre Konstruktion von Heimat« sichert, wie es in einer von Mendivil in diesem Zusammenhang zitierten psychologischen Studie heißt, »nicht nur die Erfahrung von Kohärenz innerhalb der vielfältigen Zerrissenheiten moderner Lebenswelten, sondern verleiht der eigenen Existenz eine quasi übergeordnete Bedeutung.« Dem letzten Abschnitt seines Buches stellt Mendivil die These voran, dass »auch mit dem Schlager bzw. im Schlagerdiskurs ein deutsches Subjekt konstruiert wird« (S. 276). Dies geschehe auf vier Ebenen: durch Sprache und Vokabular des Schlagers, durch den Umstand, dass Schlager als ein Medium diene, fremde in heimatliche Orte umzuformen (als Beispiel dienen Mendivil hier Beobachtungen, die er beim Oktoberfest im brasilianischen Blumenau machte, einem von deutschen Auswanderern gegründeten Ort), durch die Nutzung von Schlagern als Vehikel von Erinnerungen (wobei sie »bei der Rezeption, unabhängig von der primären Intention des Verfassers, ganz neue Bedeutungen bekommen können, etwa wenn sie in die Biographie der Rezipienten so integriert werden, dass sie zum Referenten für das eigene Leben werden«; S. 319), schließlich durch den Hang des Schlagers auch zu exotischen Themen{Ein Indiojunge aus Peru, Fiesta Mexicana), der sich als Konstruktion von Identität im Spiel der Differenz lesen lasse. Der Schlagerforschung gibt das vorliegende Buch in jeder Hinsicht wichtige Impulse“. (Tobias Wiedmaier, Lied und populäre Kultur, 2011).
Thomas Kühn
„Eindrucksvoll an der vorliegenden Studie ist nicht nur der vermeintliche Blick von außen, mit dem sich der Ethnologe seinem „exotischen“ Thema nähert, sondern vor allem seine konsequente Unvoreingenommenheit. Dabei sind weder der Schreibstil noch die methodische Herangehensweise, wie Mendívil selbst im Vorwort anmerkt, konventionell. Doch genau das macht den Reiz des Buches aus. Aus einer ungewohnten Perspektive zeichnet er ein differenziertes und kontrastreiches Bild von einem kontrovers diskutierten Thema und bietet zugleich wichtige Denkanstöße für die eigene Forschungspraxis. […] Julio Mendívils Untersuchung leistet somit nicht nur einen wertvollen Beitrag für die Analyse des deutschen Schlagers und die (De-)Konstruktion von Heimat, sondern zeigt jenseits ausgetretener Pfade neue Wege für die (musik-)ethnologische (Feld-)Forschung auf.“ (Thomas Kühn, Zeitschrift für Volkskunde, 2012)